"Die von der werdenktwas GmbH in Abstimmung mit der Planersocietät konzeptionierte und durchgeführte Online-Umfrage fand vom 20. Oktober bis zum 31. Dezember 2020 auf der städtischen Beteiligungsplattform „marburgmachtmit“ (www.marburgmachtmit.de) statt. Mit der Teilnahme von über 3.750 Personen stieß die Umfrage auf sehr regen Zuspruch."

MoVe 35 - Online-Umfrage, Dokumentation der Auswertung: Seite 5

Neben der MoVe 35 Arbeitsgruppe und den Ortsbeiräten war besagte Online-Umfrage das zentrale Element, um die "breite Öffentlichkeit" in den Prozess einzubinden. marburgmachtmit.de wurde Anfang September 2019 als "zentrale Anlaufstelle … zu mehr Bürgerbeteiligung und Bürgerengagement … an den Start gebracht".

Unklar scheint zwar die genaue Teilnehmerzahl an der Umfrage zu sein - auf der MoVe 35-Seite der Stadt sind es 3.762, im MoVe Endbericht 3.570 und in der Dokumentation der Auswertung "über 3.750" Personen. Gleichwohl interessiert mich brennend die Frage, auf welchem Weg die Teilnehmer über den Beginn der Umfrage informiert worden sind.

Denn, nahezu jeder Gesprächspartner, mit dem ich mich in den letzten Wochen ausgetauscht habe, musste die Fragen "Wusstest Du etwas über den MoVe Beteiligungsprozess? Hast Du an der Online-Umfrage teilgenommen?" über sich ergehen lassen. Jeweils "nein" lautete - bis auf eine Ausnahme - die Antwort.

Und ich habe auch nichts mitbekommen …

… obwohl mich sehr interessiert, was in Marburg und Umgebung los ist. Ich lese regelmäßig die OP, den Hinterländer Anzeiger, den Express, höre in den Podcast Hörmal Marburg rein, verfolge die Aktivitäten der Stadt in den sozialen Kanälen - aber bewußt mitbekommen habe ich tatsächlich auch nichts. Erst recht keinen Aufruf zur Teilnahme an der Online-Umfrage.

Da stellt sich schon die Frage, ob und wie die Marburger Bürger auf die Online-Umfrage aufmerksam gemacht wurden.

Facebook Schauen wir mal in die Archive, es heißt ja immer "das Internet vergißt nichts":

Der Pressebereich der Stadt Marburg gibt schon mal nicht viel dazu her, nur Pressemitteilungen ab Dezember 2021 können abgerufen werden. Vielleicht gibt es einen Hinweis in einem der Studier mal Marburg Heftchen? Fehlanzeige. Archiv der OP? Nix gefunden. Immerhin bin ich einmal auf den Facebook Seiten der Stadt Marburg fündig geworden: "Eure Meinung ist gefragt: Bis zum 31. Dezember …". Ein einziger Eintrag, immerhin.

Auch die Verfasser der Dokumentation gehen mit keinem Wort darauf ein, woher die 3.570 bis 3.762 Teilnehmer erfahren haben, dass es sozusagen los geht.

Vielleicht hat man es sich einfach gemacht und nur die bereits registrierten Benutzer der Plattform marburgmachtmit.de eingeladen?

Vielleicht hat man darauf spekuliert, dass, nennen wir es mal "auto-unfreundliche" Interessengruppen ihre Anhängerschaft mobilisieren, so daß das Ergebnis der Umfrage eine entsprechende Gewichtung bekommt?

Einen Satz gibt es zu diesem Gedanken im Zwischenbericht:

"Zudem haben sich an der Umfrage ggf. auch Personen mit einem besonderen Interesse an einzelnen Verkehrsmitteln beteiligt."

Vgl. MoVe 35 Zwischenbericht: Seite 14

Keine Erklärungsversuche, keine weiteren Hintergrundinformationen.

Experten, die ihre Expertise nicht einbringen?

Und es wird noch interessanter. Wenn ich mich für die Teilnahme an einer Umfrage entscheide, dann beantworte ich in der Regel alle Fragen, dazu gehört auch die Angabe meiner Alters. Bei den Teilnehmern der MoVe-Umfrage war das offenkundig anders: Von den 3.762 Teilnehmern haben nur 324 (!) Personen ihr Alter angegeben.

Kommentiert wird dieser Sachverhalt mit dem lapidaren Satz:

"Auffällig ist aber, dass mehr als 90 % hierzu keine Angabe gemacht haben."

Vgl. MoVe 35 - Online-Umfrage, Dokumentation der Auswertung: Seite 6

Auch hier: Keine Erläuterungen von den wer denkt was Experten. Keine Hinweise zu Erfahrungen, die man in anderen Städten gemacht hat. Kein Wort darüber, welche Rückschlüsse sich daraus ggf. auf die Qualität der Ergebnisse ableiten lassen.

Schluss

Schaue ich mir abschließend noch den Grundtenor der gestellten "Fragen zur Mobilität" an, dann drängt sich unweigerlich der Verdacht auf, dass die Online-Umfrage ein ganz anderes Ziel hatte, als das tatsächliche Meinungsbild der Bevölkerung einzuholen.

Vielmehr ging es nach meiner Wahrnehmung darum, ein Ergebnis im Sinne der Zielsetzung zu erhalten (vergl. Das Konzept) - auf das dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit referenziert werden kann, um zu erklären, dass man ja nur die "Wünsche der Menschen" umsetzt.

Nachtrag: Wer hat, der hat

Ich zum Beispiel habe vier verschiedene E-Mail Adressen. Eigentlich sind es sieben, aber die vier sind aktiv und ich benutze sie nach Lust und Laune. So habe ich damit mal jeweils ein Konto im Beteiligungsportal marburgmachtmit.de eingerichtet.

Schwuppdiwupp, jetzt habe ich vier Benutzerkonten, sprich Stimmen - Thomas123456, Thomas654321, Thomas234567, Thomas765432, alle bestätigt und aktiv - und könnte meine Meinung in den kommenden Beteiligungsverfahren vierfach zum Ausdruck bringen.

Nein, ich mache das nicht, denn damit würde ich das an sich gute Verfahren untergraben. Aber ich könnte. Warum ich es dann gemacht habe?

Weil es geht.

  1. Vorgeplänkel
  2. Das Konzept
  3. Das Beratungsbüro
  4. Die Datenbasis
  5. Die Online-Umfrage