Gelegentlich hat man schon den Eindruck, dass in der Verwaltung der öffentlichen Hand - egal auf welcher Ebene - ohne die Unterstützung durch externe Gutachter und Berater kaum ein Projekt auf den Weg gebracht werden kann. Das ist in Marburg nicht anders.
Tatsächlich ist allerdings eine Aufgabe, wie die Erarbeitung einer generellen Verkehrs- und Mobilitätsstrategie ohne externe Unterstützung kaum zu bewältigen, auch bei uns in der Firma würde man bei Fragestellungen vergleichbarer Größe oder Dimension auf einen Berater von außen zurückgreifen.
Den Beratungsauftrag zur Erarbeitung einer "gesamtheitlichen Mobilitätsstrategie" erhielt 2020 das Dortmunder Unternehmen Planersocietät, das mit mehr als 70 Mitarbeitern offenbar zu den größten Verkehrsplanungsbüros in Deutschland gehört. Für die Prozessmoderation erhielt team ewen den Zuschlag.
Randnotiz: Die Frage, warum nicht das Konsortium beauftragt wurde, das bereits den Green-City-Plan Marburg erarbeitet hat, konnte mir bisher niemand beantworten.
Mit einer "Beratung" wird oft impliziert, dass sich der "Berater" ergebnisoffen mit einer bestimmten Fragestellung auseinandersetzt und am Ende eine optimale Umsetzung empfiehlt.
Die Bandbreite der Ausgestaltung eines Beratungsauftrags ist jedoch weit größer und reicht bis hin zu einem moderierten Prozess, bei dem die Dinge so gestaltet werden, dass ein Resultat im Sinne des Auftraggebers entsteht. Anders ausgedrückt: Es ist von vornherein klar, welches Ergebnis gewünscht ist und der Berater sorgt dafür, dass das Ergebnis erreicht wird.
Ich möchte hier nichts unterstellen … aber wenn ich die Hoheit über die Moderation der Diskussion, die Ausformulierung der Protokolle und der Ergebnisdokumentation habe, halte ich alle Stricke in der Hand, um das Ergebnis im Sinne der Beauftragung zu gestalten.
Das ist im Grunde auch nichts verwerfliches, vermutlich sogar gängige Praxis. Und ich denke, dass mancher Unternehmenslenker der freien Wirtschaft zu ähnlichen Kniffen greifen wird, wenn es gilt "den Menschen" eine bestimmte Botschaft oder eine schwierige Entscheidung zu verkaufen.
Kosten
Und was hat die Beratung bzw. Erarbeitung des MoVe 35 Konzepts gekostet? Das ist schwierig zu beantworten, denn selbstverständlich gibt es zu dieser Frage keinerlei öffentlich zugängliche Informationen.
Einen kleinen Anhaltspunkt haben CDU/BfM auf dem Papier zum Bürgerbegehren gegeben, hier werden die erwarteten Mehrkosten für die Überarbeitung des Konzepts auf 225.000 Euro beziffert. Daher würde ich mal schätzen, dass die Planer für die dreijährige Beauftragung mindestens 800.000 Euro erhalten haben.
Giessen
Interessanterweise war die Planersocietät auch in Giessen aktiv, dort ging es um die Erstellung eines Verkehrsentwicklungsplans mit den Arbeitsschritten Bestandsaufnahme, Aufbau eines Verkehrsmodells, Entwicklung eines Zielkonzepts sowie der Ausarbeitung von Maßnahmen in einem Handlungs- und Umsetzungskonzept.
Vgl. giessen.de/Leben/Verkehr-und-Mobilität/Verkehrsplanung/Verkehrsentwicklungsplan
Schluss
Soweit der dritte Teil meiner kleinen MoVe 35-Blog-Reihe. Weiter geht es in Kürze mit den Themen Datenlage, Bürgerbeteiligung, Kommunikation, Fazit und Key Learnings.
Weitere MoVe 35-Beiträge
- Vorgeplänkel - Die Gemengelage ist schwierig
- Das Konzept - Überblick der wichtigsten Inhalte des Endberichts MoVe 35
- Das Beratungsbüro
- Die Datenbasis - Erfolglose Suche nach den umfangreichen Daten, von denen immer die Rede ist
- Die Online-Umfrage - Betrachtung der Online-Umfrage und die Nutzung mehrerer E-Mail Adressen
MoVe 35 Zielseite mit weiteren Informationen und Videos: https://thomaswinzer.com/move35